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Wähle 0900 (Roman)

INHALT: Wähle 0900 ist ein Roman über das älteste Thema der Welt, die Liebe in all ihren Facetten, mit ihren Höhen und Tiefen. Da gibt es die hartnäckige Eltern-Kind-Beziehung, die tragische Abhängigkeit von Telefonpartnern, die besessene Liebe bis zum Stalking, aber auch die Liebe zu Geld, Wohlstand und Status, durcheinandergewirbelt und verwoben im schillernden Kaleidoskop der Gefühle.

Das Hörbuch ist in Planung. Hier schon mal eine kurze Hörprobe.
Die Interpretin ist Moni Francis.
Hörprobe

Leseprobe:
Hendrik war mehr als beschwingt. Heute stand ausnahmsweise nicht Spirit and Soul an erster Stelle, heute ging sein Privatleben vor, und das Privatleben hieß Janine. Wer hätte je gedacht, dass sie sich nochmals bei ihm melden würde? Er zu keiner Minute. Und doch war es so.

"Hi", hatte sie vor wenigen Tagen am Handy gesagt. "Janine hier. Da staunst du, was?" Ihr kehliges Lachen war ihm durch und durch gegangen."Ja, da staune ich", war die verdutzte Antwort gewesen. "Wie kann ich dir helfen?""Im Ernst? Das ist doch vollkommener Blödsinn, dass du mich jetzt dermaßen eiskalt abfertigst."

Der Abend war auch entsprechend wunderbar verlaufen. Janine hatte geflirtet und gegurrt, und Hendrik hatte es sich gefallen lassen. Diese dunkelhaarige Krabbe wusste nur zu genau, wie sie ihn weichbekommen konnte.

Janine und er hatten eben ein schickes Abendessen in einem noch schickeren Restaurant eingenommen. Jetzt standen sie vor Janines Wagen und verabschiedeten sich.
"Ich bin noch bis zum Wochenende hier", flüsterte Janine an Hendriks Ohr. "Sehen wir uns morgen wieder?"
Als Antwort hatte Hendrik sie nur leidenschaftlich an sich gepresst. Sein Herz war aufs Neue für dieses kapriziöse Persönchen entflammt. "Sieben Uhr?", fragte er. "Ich hole dich vom Hotel ab."
Janines Antwort war ein inniger Kuss.

Erst auf dem Heimweg fiel Hendrik Spirit and Soul wieder ein. Schnell griff er zum Handy und rief im Callcenter an. Jule ging an den Apparat.
"Hi, Jule", grüßte Hendrik. "In zehn Minuten bin ich da. Alles okay bei euch?"
"Wie man's nimmt", rückte Jule nur zögerlich mit der Sprache heraus.
"Und das heißt? Sind etwa zu wenig Berater da? Kannst du nicht ein paar anrufen?"
"Es handelt sich um eine Kundin, die dich unbedingt sprechen will. Sie lässt sich nicht abweisen. Vielleicht kannst du ... Bitte, sprich mit ihr."Hendrik runzelte die Stirn. "Muss das ausgerechnet heute sein? Lass dir ihre Telefonnummer geben, ich rufe sie morgen zurück."
Jule räusperte sich. "Die Frau ist hier, Hendrik. Hier im Callcenter. Sie wartet auf dich. Schon den ganzen Abend."
Wie hartnäckig, dachte er. Diese aufdringlichen Ladys verbreiten immer nur Chaos - und das für nichts. Laut sagte er: "Gut. Bring sie bitte in mein Büro. Ich bin gleich da."

Schon wenige Minuten später parkte Hendrik vor der Villa, und wieder einen Moment später stand er in Jules Büro.
"Wo ist sie?", erkundigte er sich.
"Wie du sagtest: in deinem Büro."
Janine und das Treffen mit ihr verblassten ein wenig. Jetzt stand nicht mehr sie, sondern Spirit and Soul im Vordergrund. Hendrik fielen eine Reihe Notizzettel ein, die er heute Morgen auf seinem Schreibtisch gefunden hatte. Sie alle hatten von einer Kundin erzählt, die schon seit Längerem pausenlos meckerte.
"Ich weiß nicht, was sie hat", versuchte Jule sich zu verteidigen. "Unsere Beratungen waren meines Erachtens alle in Ordnung. Thea hat sie mehrmals beraten, auch Leonie. Ariane und ich selbst und noch einige andere Beraterinnen mehr. Trotzdem mäkelt sie herum. "Jule schüttelte ratlos den Kopf. "Ich verstehe es wirklich nicht."
"Zeig mir bitte die Kundenkartei", forderte Hendrik Jule auf.
Jules Finger flitzten über die Tastatur. "Hier ist sie." Dann stand sie auf und ließ Hendrik an ihren Platz. "Möchtest du Kaffee?"

Er nickte. "Danke, Jule, gern."
Während Jule den Raum verließ, vertiefte Hendrik sich mit nachdenklich gerunzelter Stirn in die Kartei.
Er las: "Name, Geburtsdatum, Adresse ... Name: Emily Neuburg ... Adresse: Zurzeit bei ihrem Vater Dr. Arno Neuburg in München."
Hendrik prallte erschrocken zurück. Fassungslos starrte er auf die beiden Namen: Emily Neuburg und Dr. Arno Neuburg ... Welcher Spuk narrte ihn da? Das konnte nicht wahr sein ... durfte nicht wahr sein! Und doch ... Emily Neuburg und Dr. Arno Neuburg ... Hier stand es. Um sich zu vergewissern, dass er sich tatsächlich nicht irrte, las er auch noch den Rest. Viel war nicht zu lesen, aber die paar wenigen Stichworte reichten aus, um seine Vermutung zu bestätigen: Emily, mit einem Schotten verheiratet, geschieden, Rückkehr nach Deutschland, sucht verzweifelt den Ex, der unter merkwürdigen Umständen ins Ausland geflüchtet ist.

Emily Neuburg ... Sie war es. Emily ... seine Emily ...

Hendrik lehnte sich zurück. Die Gefühle, die ihn im Augenblick gefangen hielten, waren eine undefinierbare Mischung aus Entsetzen, heftiger Erregung, dazu jene vertraute unstillbare Sehnsucht nach Emily, wie er sie schon früher erlebt hatte. Janine rückte noch ein weiteres Stück in den Hintergrund und verschwand schließlich ganz. An ihre Stelle trat Emily. Sie und seine Vergangenheit mit ihr holte ihn unnachgiebig ein ...